Der Dahliengarten im Sommer –
Ein Blütenpoem in der Lichtentaler Allee
Wenn der Sommer in Baden-Baden seine sanften Arme ausbreitet, beginnt ein leises Vorspiel aus Farben, Formen und Düften – ein botanisches Liederbuch, das in der Lichtentaler Allee seine erste Strophe findet. Bevor die Dahlie, die poetisch als „Königin des Herbstes“ verehrt wird, ihren prächtigen Auftritt hat, verzaubern filigrane Sommerblumen das Auge des Flaneurs: die Vanilleblume (Heliotropium arborescens) verströmt ihren süßen Duft, zartes Angelonia (Angelonia angustifolia), die treue Eisbegonie (Begonia semperflorens) und der leuchtende Leberbalsam (Ageratum houstonianum) weben einen ersten Farbteppich – ein zarter Auftakt im grünen Salon der Stadt.



Doch mit dem August, wenn das Licht weicher wird und die Tage eine Ahnung von Vergänglichkeit tragen, beginnt das große Schauspiel der Dahlien. Dann erwacht der Garten in einer Explosion aus Farben, Texturen und leuchtender Vielfalt. Rund 1.800 Dahlienpflanzen in 64 verschiedenen Sorten entfalten ihre Pracht: von zierlichen Balldahlien über die anmutigen Seerosendahlien bis hin zu den opulenten Kaktusdahlien – jede Blüte ein kleines Universum.
Die Gartenkunst offenbart sich hier in architektonischer Raffinesse: Die Beete sind nach einem durchdachten Plan des Gartenamts komponiert – jede Sorte erhält ihr eigenes, ellipsenförmiges Areal. Zwei große, blütenförmig angelegte „Dahlieninseln“ entfalten sich rund um runde Bankplätze – wie Blätter einer Blume, die sich der Sonne öffnen. Die kräftigen, aufrechten Sorten bilden die leuchtende Mitte, flankiert von einer harmonischen Komposition aus Farben und Formen.




Die eine „Dahlienblüte“ leuchtet in warmen Nuancen aus Rot, Orange und Gelb, die andere schimmert in Weiß, Rosa und Violett – ein Farbenspiel, das an impressionistische Gemälde erinnert, lebendig und doch voller innerer Ruhe.
Der Dahliengarten Baden-Baden ist mehr als eine florale Schau – er ist ein Ort der Musen, der Erinnerung und der stillen Einkehr. Umrahmt von Denkmälern großer Musikerpersönlichkeiten wie Johannes Brahms, Clara Schumann und Robert Stolz, die alle eine besondere Beziehung zur Lichtentaler Allee hatten, spürt man hier, dass Natur und Kultur keine Gegensätze sind – sie atmen miteinander.
Als architektonischer Ruhepol erhebt sich der elegante Benazet-Pavillon inmitten der floralen Inszenierung. Von hier aus lässt sich der Garten betrachten wie ein lebendiges Kunstwerk, das sich täglich neu erschafft – im Spiel von Licht, Wetter, Wandel und Blüte.
Der Dahliengarten im Sommer ist ein Ort der Entschleunigung, der Sinnlichkeit, der inneren Sammlung. Wer sich ihm öffnet, erfährt etwas vom Wesen des Werdens und Vergehens, vom Dialog zwischen Mensch und Natur, vom stillen Glück, das zwischen zwei Blüten liegen kann.
Fotos & Text (c) Greta Hessel